Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi?
Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist’s: So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben. (1 Korinther 10, 16-17)
Wir haben in Our Saviour besonders schöne Abendmahlsgeräte. Auf der unteren Seite ist das Datum „Karfreitag 1937“ eingraviert. Keiner weiß so richtig, wie diese Abendmahlsgeräte nach Our Saviour kamen. Vermutlich waren sie ein Geschenk der SELK Gemeinde in Homberg (Efze).
Zu diesen Geräten, die jeden Sonntag im Gottesdienst benutzt werden, gibt es ein kleineres Replikat, in jeder Hinsicht identisch, welches für die Abendmahlsfeiern in Ballito, beim Altenheim oder bei Hausabendmahlsfeiern benutzt wird.
Da die Geräte aus Deutschland stammen, sind die Inschriften naturgemäß auf Deutsch gehalten. (Vielleicht werden wir in Zukunft noch die Englischen Texte hinzufügen).
Das Ciborium – auch Pyx oder Pyxis genannt – besitzt eine Inschrift aus Johannes 6,35: „Ich bin das Brot des Lebens.“ Christus als Brot des Lebens, als derjenige, der sich für seine Herde hingibt und ihnen geistliche Nahrung schenkt.
Die Patene ist mit Worten aus 2. Korinther 5,17 versehen: „Ist jemand in Christo so ist er eine neue Kreatur.“ Nirgends sind wir enger mit Christus verbunden als hier im Heiligen Abendmahl! Und daher, so Paulus, sind wir eine neue Kreatur!
Der Kelch hat eine durchaus interessante Inschrift, auf die ich mich hier in diesem Beitrag konzentrieren möchte. Der Text bezieht sich auf Philipper 1: „Sein Tod ist unser Leben.“
Wenn man den Kelch von vorn betrachtet, sieht man in der Regel nur mehr oder weniger ein einziges Wort. Um weiterzulesen, muss der Kelch gedreht werden. Und so, wenn Sonntags der Kirchenvorsteher mir beim Abendmahl den Kelch reicht, gucke ich immer, welches Wort sich mir in dem Moment zeigt! Es ist immer eines von nur fünf, aber jedes dieser Worte besitzt tiefe theologische Bedeutung. Jedes ist bemerkenswert!
„Sein“ – das erste Wort. Sein, nicht mein! Seine Herrlichkeit, seine Gerechtigkeit, seine Rechtfertigung. Dieses erste Wort des Satzes macht deutlich, um wen es hier geht – nämlich um Christus! Es geht darum, was er alles für mich getan hat!
Und was hat er für mich getan? Er ist für mich gestorben! „Tod“ – das zweite Wort. Wenn dieses Wort sich mir zeigt, geht mir ein Schauder den Rücken hinunter. Plötzlich wird es ernst – Christus ist tatsächlich für mich gestorben! Ich trinke aus diesem Kelch, weil er sich aus Liebe für mich dahingegeben hat. Er hat den allerhöchsten Preis für mich bezahlt!
Während ich dort vor dem Altar auf die Knie gehe, geschieht gewissermaßen ein weiterer Tod – der Tod meines Alten Adams. Und ich werde in diesem Moment daran erinnert, dass auch ich sterben muss – eine unweigerliche Tatsache! Aber, indem ich dieser Tatsache in die Augen schaue und dabei weiß, dass ich um Christi Willen nicht ewig tot sein werde, bin ich vorbereitet und getröstet! Und das trotz der Ernsthaftigkeit, ja trotz der Tragik der ganzen Situation.
„Ist.“ Ich muss bei diesem Wort unweigerlich an Martin Luther denken, 1529 auf dem Schloss in Marburg, als er mit Ulrich Zwingli (als Vertreter der calvinistischen, also der reformierten Theologie) über das Thema des Heiligen Abendmahls disputierte. Die Auseinandersetzung bestand im wesentlichen darin, dass Zwingli und die Calvinisten nicht wahr haben wollten, dass im Heiligen Abendmahl Christi Leib und Blut wahrhaftig gegenwärtig ist. Sie konnten es nicht verstehen, wie dieses sein kann, und so dichteten sie die Worte um und lehrten ein symbolisches Abendmahlsverständnis. Sie sagten nunmehr, dass Jesus eher gemeint hätte: „Das bedeutet mein Leib, das bedeutet mein Blut.“ Brot und Wein sind somit lediglich Zeichen für die Gegenwart Christi, nicht aber Christus selbst.
Luther wollte davon nichts wissen. Jesus hatte gesagt: „Das ist mein Leib, das ist mein Blut.“ Daran wollte er festhalten! Genauso wie jemand, der Hunger und Durst hat, niemals durch ein Bild von einem Glas Wasser oder ein Stück Brot gesättigt wird (er braucht ja tatsächlich echtes Wasser und echtes Brot!), genau so werden wir durch eine symbolischen Speise nicht ernährt. Wir brauchen den wahrhaften (echten) Leib und das wahrhafte (echte) Blut Christi zur Stärkung unseres Glaubens.
Nach einer Weile, als klar wurde, dass die Calvinisten nicht von ihrem Standpunkt abrücken würden, zog Luther die Tischdecke zurück. Dort stand das Lateinische Wort „Est“ – „Ist.“ Luther hatte es vorher dort hingeschrieben. „Est!“ „Das IST mein Leib, das IST mein Blut.“ Im gleichen Atemzug: „Sein Tod IST unser Leben!“ Daran wollen wir uns klammern und daran festhalten!
Ich knie am Altar und weiß, dass das, was hier geschieht, wahr ist, echt ist, für mich ist! IST!
Tatsächlich ist dieses eine objektive Wahrheit, dass mir hier Christi Leib und Blut gereicht wird. Eine Wahrheit, die bestehen bleibt auch und gerade dann, wenn ich es nicht fühle, wenn es mir nicht gut geht, wenn ich am Boden bin. Es IST wahr – welch ein Trost!
„Unser“ – sein Tod ist unser Leben. Ich denke an das erste Wort „Sein“, seine Herrlichkeit, seine Gerechtigkeit, sein Werk der Erlösung. Und ich bin dankbar, weil das alles nun mir gehört. Meine Herrlichkeit, meine Gerechtigkeit, meine Erlösung!
Aber, hier steht nicht „meiner“ sondern „unser.“ Es geht nicht um mich, es geht um uns! Daran werde ich erinnert wenn ich mich vor dem Altar niederknie. Es geht um alle die hier gemeinsam knien, gemeinsam Vergebung empfangen, gemeinsam ewiges Leben.
Ich bin ein Teil an Christi Leib! Als solches richtet mein Blick sich nicht nur zum Himmel, sondern eben auch zu meinem Nächsten. Liebe ich ihn wie mich selbst? Liegt mir das Wohl meines Nächsten am Herzen? Bin ich mir der Bedürfnisse meiner Mitmenschen und Brüder und Schwestern im Glauben bewusst?
Das letzte Wort: „Leben.“ Ich empfange hier am Tisch des Herrn nicht nur ewiges Leben, ich empfange Leben bereits hier und jetzt! Ich kann aufatmen, weil meine Sünde vergeben ist! Der Tod, der ewige Tod, ist auf der anderen Seite des Kelches, von mir weggedreht, genau so wie Christus den Tod, den ich hätte erleiden müssen, auf sich genommen hat.
Und auch wenn ich hier noch den Tod schmecken muss, weiß ich doch, dass das nicht für immer sein wird. Es ist nur eine kurze Zeit bevor Christus mich zum Leben auferwecken wird. Ich empfange Leben aus diesem Kelch – kann es was Größeres geben?
Als Verbindung zwischen Anfang und Ende des Satzes steht das Kreuz. Manchmal zeigt sich mir kein Wort, sondern nur das Kreuz. Das Kreuz, welches mehr als tausend Worte sagt. Das Kreuz, dass am Anfang und am Ende meines Lebens steht – genau wie es hier am Anfang und am Ende des Satzes steht, egal wie man es dreht und wendet.
Und ich werde getröstet in dem Wissen, dass ich um des Kreuzes Christi Willen das ewige Leben habe, auch wenn um mich herum der Tod wütet. Ich empfange dieses Leben hier am Altar, in, mit und unter Brot und Wein Christi Leib und Blut. „Sein Tod ist unser leben“.
Pastor Roland Johannes, Wartburg