Gute Werke

Wir glauben, lehren und bekennen… Was lehren die Lutherischen Bekenntnisschriften über Gute Werke.

Es ist bekannt, dass am Anfang der Reformation ein Wandel des Gottesbildes stattfindet. Martin Luther entdeckt den barmherzigen Gott, der den Menschen annimmt, ohne auf Verdienst und Würdigkeit zu schauen. Rechtfertigung aus Gnade meint biblisch eben dies: Zuspruch von Lebensrecht auch ohne Nachweis von Leistung, bedingungslose Annahme, Erweis von Liebe. Die Skrupel, die Martin Luther quälten wegen seiner immer neuen Niederlagen im Kampf gegen das Böse in sich selbst, wurden schlagartig überwunden, als er entdeckte, dass Gott den Sünder rechtfertigt „allein aus Gnade und Glaube“. Seine bange Frage „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ war damit beantwortet.

Es wäre verkehrt, sie als zeitgebundenen Ausdruck eines verstörten Gewissens zu interpretieren. Es ist die Frage des Menschen schlechthin. Wo gibt es Barmherzigkeit in dieser Welt? Ein unbarmherziger Gott ist eher ein Ungeheuer als ein Vater. Er droht mit Höllenstrafen und verbreitet Furcht und Schrecken. Trost ist bei einem solchen Gott nicht zu haben. Auch die Leugnung Gottes verspricht keine Lösung. Der Atheismus ist genauso „trostlos“ wie eine zynische Religion. Das ist beim Vater Jesu Christi anders. Er bietet Geborgenheit, Zuflucht und Schutz vor Sinnlosigkeit.

Die Reformation verstand sich als Freiheitsbewegung. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ schreibt der Apostel Paulus (Galater 5,1). Das hat der Bewegung Dynamik verliehen. Sie wagte es, gegen Fremdherrschaft aufzustehen und sich auf das Evangelium als alleinige Norm zu berufen. So hat Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms im Jahre 1521 Papst, Kaiser und der geballten Macht der Kirche getrotzt. Er hatte das Thema bereits in seiner Schrift von der Freiheit eines Christenmenschen (1520) ausführlich entfaltet. „Ein Christ ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan.“ Das ist sein erster Satz. Wer Gott zum Herrn hat, kann nicht anderen Herren dienen (Matthäus 6,24). Gottesdienst befreit von Menschendienst. Alle Zwänge fallen ab, sobald sich der Mensch im Glauben der Gnade Gottes anvertraut. Allerdings könnte diese Freiheit als Beliebigkeit gründlich missverstanden werden. Deshalb fügt Luther sofort hinzu: „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ Das ist sein zweiter Satz. Beide Sätze gehören zusammen. Freiheit zerstört sich selbst, wenn sie nicht in der Lage ist, Verpflichtungen zu übernehmen. Vor allem aber wird die Liebe verraten. Sie ist wesentlich „Nächstendienst“. Ohne Diakonie wird auch der Glaube falsch. Denn es gibt keinen „christlichen“ Glauben, der nicht in der Liebe tätig wird (Galater 5,6). Sie bedeutet für den Glauben den Gültigkeitstest.

Martin Luther weckte den Zorn der Papstkirche, weil er ihr die Mittlerrolle im Heilsprozess absprach. Zur Rechtfertigung genügt allein der Glaube. Die Kirche ist Zeugin des Evangeliums und erfüllt damit eine unverzichtbare Aufgabe. Aber das Heil kommt ausschließlich von Jesus Christus. Der Mensch braucht sein Heil nicht mehr zu erarbeiten und sich um verdienstliche Werke zu bemühen. Stattdessen wird er eingeladen, es vertrauensvoll in Empfang zu nehmen. Luther konnte sich dafür auf Paulus berufen, „[…] denn durch Gesetzeswerke wird kein Mensch gerecht“, hatte der gesagt (Galater 2,16). Was das bedeutet, hatte Luther am eigenen Leib erfahren. Eine Last war von ihm abgefallen, als er sich bewusst wurde, dass seine Sünde ihn nicht vom Reiche Gottes ausschloss. Er konnte wieder erhobenen Hauptes durchs Leben gehen. Gottes Gnade hatte ihn vom religiösem Leistungsdruck befreit. Der war nicht nur in der mittelalterlichen Kirche stark. Er ist auch heute noch vorhanden, nicht zuletzt in nichtchristlichen Religionen. Wer sich den Verordnungen nicht fügt, bleibt außen vor, gilt als „ungläubig“ und wird angefeindet.

Schon daraus wird ersichtlich, dass Gottes Gnade den Menschen nicht in einen leeren Raum versetzt. Sie stellt ihn in die Gemeinschaft mit Anderen. Deshalb gehört der zweite Satz aus Luthers Freiheitsschrift unbedingt zum ersten hinzu. Es besteht kein Widerspruch. Man kann das bei Jesus Christus lernen. Er, der frei war und sich ausschließlich seinem Vater im Himmel verantwortlich fühlte, erniedrigte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an (Philipper 2,7). Er tat dies freiwillig, nicht gezwungen. Nach seinen eigenen Worten ist er nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben zu lassen für die Vielen (Markus 10,45). Darum gilt: „Wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein“ (Markus 10,44). Nur wer dienen kann, ist wirklich frei. Der „Freiheit von-“ muss die „Freiheit zu-“ entsprechen. Erst dann erhält sie das Gütesiegel. Bloße Unabhängigkeit kann genauso despotisch sein wie reine Willkür. Sie braucht die Bindung an das Gute.

Es ist daher ein tragisches Missverständnis, wenn man meint, dass ein evangelischer Christ keine guten Werke zu tun braucht. Während der Katholik Verdienste sammeln müsse, könne der Protestant die Hände in den Schoß legen. Wer so argumentiert, hat das Bekenntnis, das die Lutheraner seinerzeit in Augsburg im Jahre 1530 der Öffentlichkeit vorlegten und das bis heute in Geltung steht, nicht gelesen. Da steht im sechsten Artikel: „Auch wird gelehrt, dass ein solcher Glaube gute Früchte und gute Werke bringen soll, und dass man gute Werke tun muss, alles, was Gott geboten hat, um Gottes willen, doch nicht auf solche Werke vertrauen soll, um dadurch Gnade vor Gott zu verdienen. Denn wir empfangen Vergebung der Sünde und Gerechtigkeit durch den Glauben an Christus, wie Christus selbst im Lukasevangelium Kapitel 17 spricht: „Wenn ihr dies alles getan habt, sollt ihr sprechen: Wir sind untüchtige Knechte.“ Genau das Gleiche lehren auch die Väter. Denn Ambrosius spricht: Also ist es beschlossen bei Gott, dass wer an Christus glaubt, selig sei und nicht durch Werke, sondern allein durch den Glauben, ohne Verdienst, Vergebung der Sünden habe.“ (6. Artikel: Vom neuen Gehorsam – Augsburger Bekenntnis).

Die Lutherische Tradition unterscheidet zwischen den Werken der Liebe und den Werken des Gesetzes. Jesus selbst hat immer wieder unter Beweis gestellt, dass es auf die Praxis der Liebe, nicht auf die formale Erfüllung der Gebote ankommt. Die Liebe brüstet sich nicht mit guten Werken. Sie tut sie ohne an den eigenen Vorteil zu denken.

Weil sie Dienst ist, kann sich ein Christenmensch durchaus unterordnen. Er weiß, dass jede Gemeinschaft Regeln braucht und darauf angewiesen ist, dass ihre Glieder sie achten. Deshalb gibt es Ordnungen, Ämter, „Obrigkeit“. Das Neue Testament erkennt den Staat als gute Einrichtung Gottes an und verlangt ihm gegenüber Gehorsam (Römer 13,1f; 1 Petrus 2,17). Jede Kirche ist der Verfassung ihres Landes verpflichtet. Sozialer Friede ist ohne einen gesellschaftlichen Gundkonsens nicht möglich. Die Kirche selbst braucht Verwaltungs- und Leitungsstrukturen. Ein Christ ist kein Anarchist. Allerdings ist der geforderte Gehorsam durch das übergeordnete Prinzip begrenzt, das sagt: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apostelgeschichte 5,29). Also kann auch ein Christenmensch in die Opposition gehen. Das wird immer dann der Fall sein, wenn die Gesetze nicht „stimmen“.

Deshalb müssen wir einander im Licht von Gottes Gnade sehen. „Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme“ (Epheser 2,8-9). Gottes Gnade ist es, die uns errettet. Gottes Gnade errettet – nicht Geschlecht, nicht Klasse, nicht Institutionen, nicht Kultur. Wenn ich gerettet bin durch Gottes Gnade und du gerettet bist durch Gottes Gnade, dann sind wir alle auf derselben Ebene, und dies muss alle, ungeachtet ihrer Kultur und Volkszugehörigkeit, unter den Schirm von Gottes Gnade stellen. Wenn du auf einen anderen Menschen herabsiehst, siehst du auf Christus herab. Wo wir von der Sünde errettet sind durch Christus, können wir da noch irgendetwas tun, das den Herrn Christus schmerzen würde?

Pastor Henry Niebuhr, Fairland, JHB

 

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