Was passiert, wenn wir sterben?

Pastor Andreas Albers, Our Saviour, Wartburg

Kommt ein gläubiger Mensch nach seinem Tod direkt in den Himmel, oder gibt es eine Zeit des Wartens und der Ruhe bis zum Jüngsten Tag? Das ist eine Frage, die sich viele Christen stellen. Aber was ist die richtige Antwort? Was sagt die Heilige Schrift?

Einerseits scheinen einige Texte darauf hinzuweisen, dass wir sofort in den Himmel kommen, wenn wir sterben. Zum Beispiel sagt Jesus zu dem Schächer am Kreuz (Lukas 23,43): „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Auch sagt Paulus zu den Philippern (1,23): „Ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden und bei Christus zu sein“. Jesus erzählt auch die Geschichte von dem armen Lazarus, der nach seinem Tod sofort in den Himmel (in Abrahams Schoß) gekommen zu sein scheint.

Andererseits gibt es auch Texte, die von einer Zeit des Wartens, des Ruhens oder des Schlafens sprechen, die unserem Eintritt in den Himmel vorausgeht. Paulus schreibt an die Korinther (1. Korinther 15,20-22): „Nun aber ist Christus auferweckt von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.“ Paulus spricht hier von einer Auferstehung, die in der Zukunft passieren wird, nach einer Zeit des Schlafes.

Was ist nun die richtige Antwort? Kommen wir direkt in den Himmel, wenn wir sterben, oder gibt es zuerst eine Zeit des Wartens oder einen Seelenschlaf?

Der Schlüssel zum richtigen Verständnis dieser Frage liegt in einer klaren Definition unserer Begriffe. Wir verwenden das Wort „Himmel“ oft im weiteren Sinne, um den Ort zu beschreiben, an dem Gläubige nach ihrem Tod für immer mit Gott leben werden.

Der „Himmel“ im engeren Sinne beschreibt jedoch nicht unsere ewige Heimat. Unsere ewige Heimat ist die „neue Schöpfung“, oder der „neue Himmel und die neue Erde“ (oder das neue Jerusalem). Der „Himmel“ ist streng genommen nur der vorübergehende Ort, an dem die Seelen aller Gläubigen vom Zeitpunkt ihres Todes bis zum Jüngsten Tag, dem Tag der Auferstehung, ruhen.

Als Gott Adam und Eva erschuf, schuf er sie in der Einheit von Leib und Seele. Dies ist auch bei uns der Fall. Vom Augenblick unserer Empfängnis an sind wir Seele und Leib. Im Augenblick des Todes werden Seele und Leib jedoch auf unnatürliche Weise voneinander getrennt. Diese Trennung ist unnatürlich, weil sie nicht dem entspricht, was Gott ursprünglich beabsichtigt hat. Gott wollte, dass wir – in Leib und Seele vereint – für immer bei ihm leben. Wegen der Sünde müssen wir jedoch alle sterben.

Wenn wir sterben, kommt unser Leib in die Erde, während unsere Seele zu Gott in den Himmel geht. Im Himmel zu sein bedeutet, in der Gegenwart Jesu auf den Tag der Auferstehung zu warten, zusammen mit all denen, die im Herrn gestorben sind.

In 1. Mose 25,8 lesen wir: „Und Abraham verschied und starb in einem guten Alter, als er alt und lebenssatt war, und wurde zu seinen Vätern versammelt.“ Wer sind „seine Väter“? Es sind die Gläubigen, die vor ihm gestorben sind, darunter (unter anderem) Abel, Henoch und Noah (siehe Hebräer 11).

Wenn wir sterben, werden wir zu unseren Vätern und Müttern im Glauben versammelt. Als Jesus uns vom Tod des Lazarus und des reichen Mannes erzählt, sagt er (Lukas 16,22): „Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß.“

Dieser Zustand der Trennung von Leib und Seele dauert bis zur Auferstehung an, wenn Jesus zurückkommen wird, um über die Lebenden und die Toten zu richten.

Wenn wir sterben, kommen wir also doch sofort in den Himmel – zum Thron Gottes. Aber diese körperlose Existenz ist nur vorübergehend. Wir wissen nicht viel über diesen Zustand. Wir wissen nicht, wie bewusst wir sein werden. Wir wissen jedoch, dass wir den Herrn von Angesicht zu Angesicht sehen werden. Wir werden mit ihm in Glückseligkeit und Frieden sein. Zugleich wird dies auch eine Zeit des Wartens sein. In der Offenbarung wird beschrieben, dass sich die Seelen der Märtyrer im Himmel in einem Zustand des Wartens befinden. Johannes schreibt (Offb. 6,9+10): „Und als es das fünfte Siegel auftat, sah ich unten am Altar die Seelen derer, die umgebracht worden waren um des Wortes Gottes und um ihres Zeugnisses willen. Und sie schrien mit großer Stimme: Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest du nicht und rächst nicht unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen?“

Am Jüngsten Tag, wenn Jesus wiederkommt, wird dieser Zwischenzustand zu Ende gehen. Alle Toten werden leiblich auferweckt. Unsere Seelen und unsere neuen Leiber werden wieder so zusammengefügt, wie sie es am Anfang waren. Erst dann werden wir in den ewigen Zustand eintreten, den die Bibel den neuen Himmel und die neue Erde nennt. Bei der Auferstehung wird unser Leib gereinigt und geheiligt werden, so dass wir nicht krank werden oder sterben können.

In der Begräbnisliturgie sagen wir „Asche zu Asche, Staub zu Staub“. Wir übergeben den Leib der Gläubigen wieder der Erde, der er entnommen wurde, „in der Hoffnung auf die Auferstehung des Leibes und das ewige Leben“. Selbst wenn unser Leib eines Tages sterben wird, ist Gott mit unserem Körper noch nicht fertig. Am Jüngsten Tag wird der Herr Jesus wiederkommen und unsere Leiber wiederherstellen, aus dem Grab holen, sie mit unseren Seelen vereinen und uns das Geschenk der Auferstehung geben. Unsere Gräber werden genauso leer sein wie Jesu Grab. Auch Martha bekannte sich zur leiblichen Auferstehung, als sie zu Jesus sagte (Johannes 11,24): „Ich weiß, dass [Lazarus] am letzten Tag auferstehen wird.“

Was die Ungläubigen betrifft, so müssen wir auch zwischen dem vorübergehenden Ort,  die „Hölle“, und dem ewigen Ort, der „feurige Pfuhl“, unterscheiden. Nach dem Tod kommt die Seele des Ungläubigen in die Hölle, einen vorübergehenden Ort der Qualen. Nach der Auferstehung werden die Ungläubigen in den ewigen „feurigen Pfuhl“ geworfen, den Gott für den Teufel und seine Engel vorbereitet hat. In Offb. 20:15 heißt es: „Und wenn jemand nicht gefunden wurde geschrieben in dem Buch des Lebens, der wurde geworfen in den feurigen Pfuhl.“ Ebenso sagt Jesus (Mt. 25:41): „Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!“

Diejenigen, die am Jüngsten Tag noch am Leben sind, müssen nicht auferweckt werden. Doch ihre sterblichen, vergänglichen Leiber müssen noch in unvergängliche Leiber verwandelt werden. Dieses wird bei der letzten Posaune geschehen. Paulus schreibt an die Korinther (1. Kor. 15,51-53): „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit.“

Dieses alles ist so schön in der letzten Strophe des Liedes „Herr, Dich liebe ich von ganzem Herzen“ von Martin Schalling (1532-1608) ausgedrückt, die ich zum Schluss zitieren möchte:

„Ach Herr, lass dein lieb’ Engelein

an meinem End die Seele mein

in Abrahams Schoß tragen.

Der Leib in seinm Schlafkämmerlein

gar sanft ohn alle Qual und Pein

ruh bis zum Jüngsten Tage.

Alsdann vom Tod erwecke mich,

dass meine Augen sehen dich

in aller Freud, o Gottes Sohn,

mein Heiland und mein Gnadenthron.

Herr Jesus Christ,

erhöre mich, erhöre mich.

Ich will dich preisen ewiglich.“

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