Wir glauben, lehren und bekennen

Was lehren die Lutherischen Bekenntnisschriften über Kirche und Staat – die Lutherische Zwei-Reiche-Lehre?

Dürfen wir in der Schule beten? Sollte sich die Kirche mehr gegen Korruption in der Öffentlichkeit aussprechen? Wieso regelt eigentlich der Staat die christliche Ehe?

Diese und ähnliche Fragen werden des Öfteren in unseren Reihen debattiert und unterschiedlich beantwortet. Es tut gut, sich in diesem sogenannten Lutherjahr auch mit der sogenannten Zwei-Reiche-Lehre vertraut zu machen. Selbstverständlich kann das Thema, wofür es Bibliotheken voll Bücher gibt, in so einem kurzem Artikel nur kurz zusammengefasst werden.

Zu Luthers Zeiten waren drei Hauptansichten gängig:

  1. Die von der Römisch Katholischen Kirche vertretene Ansicht war: alle Macht und Autorität wurde von Gott auf die Kirche (als Institution) übertragen, die entweder selbst regiert oder die Macht auf andere delegieren darf, indem sie z.B.. Kaiser und Könige ein- oder absetzt.
  2. Die zweite Sichtweise vertraten die sogenannten Anabaptisen (Wiedertäufer), die sich so weit wie möglich von jeglicher staatlichen Kontrolle entzogen. Wir erkennen diese Haltung heute z.B. bei den amerikanischen Amisch: Gott soll der Herr auf allen Lebensgebieten sein. Bei ihnen wird die Bibel zum Nachschlagewerk, den Alltag zu gestalten. Als Variation entwickelte sich die Ansicht, dass der Staat im Dienste der Kirche stehen solle, biblische Moral in der Bevölkerung abzuzwingen. Diese Haltung kennen wir noch aus der calvinistisch geprägten Zeit der Apartheid.
  3. Als dritte Regierungsform kristallisierte sich aus der Reformation die Zwei-Reiche-Lehre, oder besser gesagt Zwei-Regimenten-Lehre, die wir nun kurz betrachten wollen. Zu beginn schauen wir auf die Augsburgische Konfession und erläutern dann weiter.

 

  1. Was beinhaltet die Zwei-Regimenten-Lehre?

Die lutherische Kirche vertritt die Lehre, dass alle Macht und Herrschergewalt von Gott kommt. Aber er hat diese Kraft unterschiedlich zu-geordnet (1) in dem Reich zur Linken – das ist der Staat, der mit Gewalt über die Menschen äußerlich herrscht, und (2) dem Reich zur Rechten – das ist die Kirche, die mit der Gnade über die Herzen der Menschen regiert.

Hier ist das Menschenbild Luthers zu beachten: weil jeder Mensch sündig, selbstzentriert und eigenwillig ist, bedarf es einer höheren Gewalt als die des Gesetzes, den Menschen zu kontrollieren. Ein von Gott wiedergeborener Gläubiger wird zwar vom Heiligen Geist beherrscht, aber lebt in seinem Leibe noch in der „alten“ Welt. Der Christ ist zugleich Sünder und Gerechter. Er ist also ein Bürger beider Reiche zugleich. Diese zwei Herrschaftsbereiche müssen also deutlichen von einander unterschieden  (nicht geschieden) werden. Lasst uns die Kennzeichen der beiden Reiche miteinander vergleichen.

Gott herrscht über alles und jeden

Das Regiment zur Linken Das Regiment zur Rechten
Entsteht aus dem natürlichen Reproduktionsvorgang, die Familie; Menschen sammeln sich in Gemeinschaften und Völker Entsteht aus dem Wort im Glauben; Menschen sammeln sich äußerlich in Glaubensgemeinschaften aber bilden innerlich die eine heilige, christliche Kirche
Wird geregelt durch den Verstand, die Logik nach natürlichen Gesetzen, wie sie jeweils in den Landesgesetzen zu finden sind Wird bestimmt durch das Evangelium der Gnade nach der Frucht des Geistes und geordnet nach der Liebe Christi
Benötigt staatliche Institutionen für die Gesetzgebung (Parlament) und exekutive Organisationen (Polizei) Benötigt das Amt, welches das Evangelium verkündigt, die Sakramente reicht und pastorale Dienste verrichtet
Regiert mit Macht (das Schwert) wie das Gesetz es vorschreibt und durchgesetzt wird Regiert durch die Kirche* mit der Gnade des Evangeliums, welche Menschen durch die Wiedergeburt neu schöpft und heiligt
Hat zum Ziel, den Teufel und seine Diener zu hindern und das Böse in Grenzen zu halten, den äußerlichen Frieden zu bewahren, das Gute zu fördern und den Bösewicht zu strafen Hat zum Ziel um Gottes Reich zu bauen und Menschen in das richtige Verhältnis mit Gott zu bringen indem der Sünder gerecht wird, die Freiheit des Gewissens bekommt, und die ewige Seligkeit geschenkt wird
Kann nur äußerlich und jeweils zeitlich regieren Regiert innerlich durch den Glauben; Gottes Reich ist ein ewiges Reich

* Die Kirche muss unterschieden werden in ihrer äußerlichen Struktur als Institution, wie sie durch Kirchenordnung und Organisation geregelt wird – das ist ihre weltliche, sichtbare Gestalt in ihrer Vielfalt. Der Inhalt aber der einen Kirche besteht in aller Freiheit und Gottseligkeit in Christus, der über aller Zeit und Raum seine Auserwählten erhält im rechten einigen Glauben, wie wir sie im 3. Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses bezeugen.

  1. Was bedeutet nun diese Unterscheidung?

Das Regiment zur Linken gilt für alle Völker, Kulturen und Länder. Wie unterschiedlich sie auch sein mögen, so glauben wir, ist ihre Regierung Dienerin Gottes (Römer 12 und 13). Ob die Beamten es wissen oder nicht, ob sie christlich gläubig sind oder nicht – sie tun den Willen Gottes.

Christen haben also durchweg eine positive Haltung gegenüber der weltlichen Obrigkeit, denn sie sehen in einer guten Regierung Gottes Fürsorge und Erhaltung. Christen können somit auch mit Freimut in den Staatsdienst treten, denn sie wissen, dass sie auf diese Weise Gott und den Mitmenschen dienen. Das wird weiter unterstrichen durch das tägliche Gebet für die weltliche Obrigkeit (1. Petrus 2,13ff; 1.Timotheus 2,1-4).

Im Kleinen- wie im Großen Katechismus erklärt Luther zum Gebot: „Ehre Vater und Mutter …“ dass wir nicht nur der elterlichen Autorität, sondern auch der weltlichen Obrigkeit gegenüber Gehorsam zu sein schuldig sind, denn durch sie alle erhält und nährt der Herr unser alltägliches Leben. Mehr noch: Christen unterwerfen sich freiwillig den Gesetzen des Landes, weil – wie oben schon genannt – sie an die Oberherrschaft Gottes glauben, der über allen Mächten steht.

Der Punkt, dass Gott über allen und alles herrscht, ist darum wichtig zu beachten, weil es Situationen gibt, bei denen die weltliche Obrigkeit ihren Bürgern verordnet zu sündigen oder gegenüber der Ungerechtigkeit zu schweigen. In solchen Fällen gilt Apostelgeschichte 5,29, dass man Gott mehr gehorchen muss als den Menschen. Weil Christen zuerst Gott angehören (und nicht dem Staat), dürfen und müssen Christen in Ausnahmefällen ungehorsam sein. Ihre Aufgabe ist es, das Gewissen der Obrigkeit zu schärfen und Beamte zur Verantwortung vor Gott und den Menschen zu rufen. Und sollte der Staat dennoch seine Macht missbrauchen, dann kann es sein, dass Christen auch aufgerufen werden, zu leiden, denn der Kirche Machtmittel sind nicht Waffen sondern das Wort und die Liebe.

  1. Einige Folgen fürunser Gespräch

Verwirrung entsteht leicht, wenn Christen anderer Denominationen z.B. von einer christlichen Schule sprechen. Wir Lutheraner würden antworten: Vorsicht, die Schule ist eine Verlängerung der elterlichen Verantwortung für die Erziehung der Kinder. Der Staat jedoch ist nicht verantwortlich für den Glauben, sondern möchte gute Bildung für alle seine Bürger fördern. Christen (die Kirche) sind für Glaubensdinge selber verantwortlich. Die Schule selbst kann also nicht christlich sein denn, sie ist eine staatliche Instanz. Was wir Christen jedoch gerne sehen würden, ist, dass sich besonders Christen bei einer Schule engagieren, denn sie fördern gute Moral. Christen können als Bürger des Landes viel Einfluss ausüben in den Rahmenbedingungen, wie sie für alle Bürger gilt. Es scheint eine gute praktische Regelung zu sein, dass z.B. christlicher Unterricht außerhalb der amtlichen Schulperioden geschehen kann; somit kommen beide, Staat und Kirche, zu ihrem Recht.

Ebenso sprechen wir Lutheraner nicht von einer christlichen Ehe, denn die Ehe gilt für alle Menschen. Aber wir sprechen von Christen, die in einer Ehe leben – und Christen leben gewiss anders in ihrem Eheverhältnis als es Nicht-Christen tun. So könnten wir noch viele andere Beispiele nennen, wo es nötig ist, die äußerliche Struktur von innerlichen Glaubensinhalten zu unterscheiden.

  1. Das Gespräch geht weiter

Weil es kein perfektes weltliches Regiment gibt, bietet unser Herr vollkommenes Leben und Seligkeit. Zu seinen Jüngern spricht der Herr: Ihr seid in der Welt aber nicht von der Welt. (Johannes 15,18; 17,11) Wir Christen werden herausgefordert, zu überlegen, was diese Aussage in jeweiliger Situation bedeutet. Und Antworten, die eine Generation erarbeitet hat (wie z.Z. Luthers) kann nicht ohne weiteres auf die nächste Zeitepoche übertragen werden. Gewissensbeschwerden werden nicht dadurch zum Guten gewendet, indem man sich aus dem öffentlichen Leben entzieht, sondern es fordert Mut, viele Gespräche und ein ständiges Ringen um die Wahrheit. Nichtsdestotrotz bietet die Lutherische Zwei-Reiche-Lehre eine geläuterte Grundlage für die Ordnung der Gesellschaft.

Pastor Klaus-Eckart Damaske, Pretoria

 

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