Wort zur Jahreszeit | „Der HERR segne dich und behüte dich; der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“ Mose 6,24-26
Ich erinnere mich noch gut an das Wochenende. Da waren wir, einige Theologiestudenten, übers Wochenende zu Besuch bei einer Familie in Balhorn, Deutschland. Es waren wunderbare Tage. Wir haben zusammen gegessen, haben einen kleinen Ausflug gemacht, sind spazieren gegangen und saßen abends in einer fröhlichen Runde zusammen. Am Sonntag nach dem Gottesdienst gab es noch ein herrliches Mittagessen und dann mussten wir aufbrechen. Vor uns: ein weiter Weg, zusammengequetschtes Sitzen im kleinen Auto, höchstwahrscheinlich Stau auf der Autobahn, ein leeres, kaltes Zimmer in der Studentenwohnung. Doch dann kam unsere Gastgeberin noch mit einem vollgepackten, über den Rand gefüllten Korb: Saft und belegte Brötchen, Schokoladen und andere Leckereien. Der Aufbruch war gerettet!
Das ist mir seit langer Zeit ein Bild für den Segen am Ende eines jeden Gottesdienstes. Ein Über-den-Rand-gefüllter Korb wird uns in die Hand gedrückt. Ja, da winkt der Pastor nicht einfach zum Schluss der Gemeinde zu: „Danke, dass ihr da gewesen seid! Auf Wiedersehen! Bis zum nächsten Mal!“ Auch ist der Segen nicht ein Signal, wie eine grüne Ampel, die meldet: „Nun ist der Gottesdienst zu Ende, ihr könnt gehen!“ Nein, der Segen ist Gottes Zusage an uns! Er gibt uns noch etwas zum Mitnehmen. Er legt seinen Segen und Frieden in unsere Hände. Er sagt: „Nimm diese mit!“
Vielfach ist es ja so im Gottesdienst, da atmen wir auf, da singen wir die vertrauten Lieder, erfahren Gemeinschaft mit Gott. Doch irgendwann ist der Gottesdienst zu Ende und vielfach fragen wir uns bereits im Gottesdienst: Welche Angst wird mich in der neuen Woche wieder bedrücken? Welcher Unfriede wird mich belasten? Welche Zweifel werden an mir nagen? Wie werde ich es schaffen?
Tagelang hatte das Volk Israel Gottes Nähe beim Berg Sinai erfahren können. Er war ihnen durch die Worte des Mose nahe. Seine Gegenwart in der Stiftshütte, in der Feuers- und Wolkensäule konnten sie erkennen. Ihnen war dieser Ort inzwischen wohlvertraut. Hier hatten sie genug zum Essen, lebten dank Wachteln und Manna direkt aus der Hand Gottes. Gott gab ihnen Schutz gegen die Feinde. Hier an diesem Ort hatten die Israeliten es gut. Doch nun mussten sie aufbrechen: Ein weiter Weg durch die Wüste. Dort waren sie vielen Gefahren ausgesetzt. Es warteten Kämpfe auf sie. Sie mussten das verheißene Land einnehmen. Angst, Unsicherheit, Unruhe, Zweifel mag sie wohl begleitet haben. ‚Ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne‘. Die Priester sollten Gottes Namen auf das Volk legen; seine begleitende Wirkung dem Volk zusprechen; es für den Aufbruch vorbereiten.
Uns mag der Gottesdienst wohl tun. In der Kirche fühlen wir uns zuhause. Von Gott umgeben, von seiner Gnade erfüllt, mit seiner Liebe beschenkt, mit seiner Gemeinschaft umhüllt. Segensreich mag dieser Ort uns sein, Schutz und Schirm vor allem Bösen! Gottes Angesicht in seinem Sohn Jesus Christus leuchtet uns wärmer als die Sonne. Hier spüren wir Frieden. Aber bald müssen wir diesen Raum verlassen! Bald wartet die Woche auf uns, warten Aufgaben und Verantwortungen auf uns. Stress. Unruhe. Zank. Leid. Not. Mangel. Enttäuschung. Die Woche scheint einer Wüste zu gleichen.
Gottes Segen jedoch soll uns begleiten. Er selbst soll uns auch im Alltag nahe sein. Daher gibt er uns seinen Schutz, seine Gnade, seinen Frieden. Wir verlassen diesen Raum Gottes nicht allein. Der dreieinige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, geht den Weg mit uns in die Woche hinein.
Daran erinnere dich am Ende des Gottesdienstes, wenn deine Gedanken vielleicht schon beim Aufschlagen des letzten Gesanges oder bereits beim Mittagsessen sind oder wenn andere Sorgen dich geradezu überfluten. Hör nochmal genau hin. Erkenne das Zeichen des Kreuzes. Hier wird dir zum Abschied noch was in die Hand gedrückt. Nimm es mit!
Pastor Helmut Paul, Wittenberg