Es ist Sonntagmorgen 10:30! Wir sind in Piet Retief angekommen und fahren an drei Kirchen vorbei – alles afrikaanse Gemeinden; ihre Gottesdienste sind gerade zu Ende und einige ihrer Besucher fahren schon nach Hause.
Unser Gottesdienst beginnt erst um 11:00, wenn alle anderen sich schon auf ihren Mittagsschmaus freuen. Es ist bestimmt nicht die gelegenste Zeit für einen Gottesdienst, aber unter den jetzigen Umständen haben wir keine andere Wahl: ich wohne in und bin Pastor der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Panbult, wo der erste Gottesdienst erst kurz nach 09:30 zu Ende war. Und dann sind noch 50 Km zu fahren bis Piet Retief. Gott sei Dank ist die N2 am Sonntagmorgen nicht sehr befahren!
Wir kommen bei der kleinen Kirche an der Ecke von Kruger und Joubertstrasse an – das Zuhause der Evangelisch-Lutherischen Christusgemeinde. Dieses Gebäude hat bestimmt interessante Geschichte zu erzählen. Es war ursprünglich eine Loge der Freimaurer. Was sich wohl da an mysteriösen Ritualen hinter verschlossenen Türen abgespielt haben mag? Aber seit 2004 ist es ein Gotteshaus. Nach einigen notwendigen Veränderungen wurde das Gebäude durch den ehemaligen Präses der FELSISA, Pastor Peter Ahlers, eingeweiht. Nun ist es ein Ort der Gnade, wo unser Herr Jesus Christus seiner Gemeinde dient und seine Gnadenmittel Wort und Sakramente austeilt.
Unterwegs zur Kirche habe ich mich schon öfter gefragt: Wer oder was gibt uns das Recht, um in Piet Retief noch eine afrikaanse Gemeinde zu gründen und noch einen afrikaansen Gottesdienst zu halten? Aber die Antwort darauf ist recht einfach und sie bestätigt sich fast jeden Sonntag immer wieder: Die afrikaanse Gemeinde der Lutherischen Kirche ist keine neue Sache. Afrikaanse Lutherische Gottesdienste werden schon über 20 Jahre in Piet Retief gehalten. Diese Arbeit begann damals als eine Tochtergemeinde der Gemeinde Wittenberg, besonders für ihre afrikaanssprechenden Glieder und deren Familien. Es gab und gibt heute noch ein starkes Bedürfnis, Gottesdienste in der eigenen Muttersprache zu feiern. In Piet Retief gibt es bestimmt auch Möglichkeiten zur Ausbreitung. Trotz der vielen Kirchen gibt es besonders unter der jüngeren Generation viele Kirchenferne. Als Pastor Rüdiger Gevers eine Berufung nach Panbult annahm, hat der Ausschuss beschlossen, dass der Pastor von Panbult gleichzeitig auch die Gemeinde in Piet Retief betreuen sollte. Die Panbulter tragen bis heute noch dankenswerter Weise das Gehalt des Pastors für beide Gemeinden! Mehrere Pastoren haben in den vergangen 20 Jahren in Piet Retief gearbeitet. Ich denke da an etwas, was der Apostel Paulus in 1 Korinther 3 geschrieben hat. Er vergleicht dort den Dienst in der Kirche mit der Arbeit auf einer Farm. Es gibt viele Mitarbeiter – der eine pflügt, der andere pflanzt, der Nächste begießt, und dann kommt einer zum Ernten; „aber Gott hat das Gedeihen gegeben. So ist nun weder der pflanzt noch der begießt etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt.“ Dennoch bin ich dankbar, dass ich jener glücklicher Pastor sein darf, der nach treuen und fleißigen Einsätzen aller meiner Vorgänger nun das Wachsen der Gemeinde erleben darf.
Ich halte schräg vor der Kirche an. Es ist kurz nach 10:30 und es steht erst EIN anderes Auto dort, aber ich bin nicht besorgt – zumindest nicht mehr! Die Gottesdienste werden in den letzten Wochen und Monaten gut besucht, aber ich habe gelernt, dass die Piet Retiefer sehr pünktlich sind – sie kommen in der letzten Minute vor 11 Uhr an. Ich nenne es das „Lutherische Wunder!“ Somit kann ich in Ruhe die letzten Gottesdienstvorbereitungen machen.
Es ist jetzt fast 11:00. Ich stehe mit einem Vorsteher an der Tür und schaue, ob noch jemand kommt. Oben in der Straße hält gerade noch ein Fahrzeug an und eine Familie steigt aus. Wir warten bis sie hineingekommen sind, aber sie müssen eine ganze Strecken laufen. Wer neuerdings spät zum Gottesdienst kommt, muss bereit sein, weit weg zu parken und ganz vorne in der Kirche zu sitzen.
Der Gottesdienst beginnt. Für Gäste aus einer traditionellen lutherischen Gemeinde wird manches im Gottesdienst ein wenig fremd erscheinen. Es gibt keine Tafel für die Liednummern, es gibt auch keine Gesangbücher – nur einen Projektor, der die ganze Gottesdienstordnung auf die Wand rechts vom Kreuz wirft. Es gibt auch keinen liturgischen Gesang. Liturgie gibt es wohl, aber ganz schlicht und einfach. Es wird auch viel gesungen, und zwar via Projektor aus dem elektronischen Gesangbuch der NG Kirche. Dieses Gesangbuch hat viel lutherisches Liedgut und die Gesänge sind ausgezeichnet übersetzt worden! Wir haben auch eine Orgel und ZWEI Organisten. Natürlich gibt es auch eine Beichte, Psalmgebete als Introitus, Gloria, Lesungen und Glaubensbekenntnis. Beim Lied vor der Predigt verlassen die Kinder den Raum zum Kindergottesdienst im Saal. Nach der Predigt ist Gelegenheit um Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung zu tun für alle Menschen. Dann wird das Heilige Abendmahl gefeiert!
Am Schluss des Gottesdienstes gibt es noch einige Abkündigungen: Das Dankopfer am vergangenem Sonntag erbracht die Summe von… Ich bin jedes mal freudig überrascht über die Gebefreudigkeit der Gemeinde. Mit den Kollekten können wir fast den Haushaltplan erfüllen. Aber wir bekommen auch viele Gaben und Spenden von außen – besonders von der Gemeinde Wittenberg und ihren Gliedern. Dafür sagen wir auch hiermit noch einmal ganz herzlichen Dank! Ich kündige auch an, dass am Donnerstag – wie an jedem Donnerstag – zwischen 16:00 und 17:00 ein Bibel- und Konfirmandenunterricht stattfinden wird. Es sind inzwischen zwei Gruppen von je sechs Kindern, die daran teilnehmen. Christa betreut die Kleinen und die Größeren bereite ich auf die Konfirmation vor.
Ich frage, ob noch Weiteres bekannt zu geben ist; Ja! Eine Dame aus dem Basarkomitee möchte noch einiges über den geplanten Basar sagen. (Wir hatten übrigens im vergangenem Jahr einen sehr erfolgreichen Basar auf dem Gelände des Piet Retiefer Rugby Klubs. Das Komitee hat sich sehr dafür eingesetzt und die gesamte Gemeinde hat voll mitgearbeitet.) Ende Oktober soll in diesem Jahr wieder solch ein Basar stattfinden. Es gibt aber nicht nur ein Basarkomitee in der Gemeinde – neben dem Kirchenvorstand gibt es ein Frauenkomitee, ein Instandhaltungskomitee und ein Finanzkomitee. Alle stehen unter guter Leitung und haben willige Mitarbeiter. Es fehlt nur noch das bekannte „Koeksister“-Komitee. Aber ich muss mich erst erkundigen – ist so etwas echt lutherisch?
Pastor Matthias Albers, Panbult