Interview – Pastor Gerald Paul

Pastor Paul, als ehemaliger Pastor der FELSISA sind Sie vielen Lesern bekannt, aber könnten Sie ein paar Worte zu Ihrer Herkunft sagen?

Ich wuchs auf einer Farm außerhalb Piet Retief auf, studierte in Pretoria BComm und leistete in Bloemfontein meinen Wehrdienst ab. Danach arbeitete ich als Buchhalter und Verwalter. Meine Frau Heidi, die an der Wittenberger Schule unterrichtete, lernte ich an einem Sonntagnachmittag bei einem Jugendtreffen kennen. Kurz nachdem wir uns verlobt hatten, beschloss ich, Pastor zu werden.

1994 ging ich in die USA, um am Concordia Theological Seminary in Fort Wayne zu studieren, wo Heidi später dazu kam. Ich schloss mein Studium und ein einjähriges Vikariat in Crookston 1998 ab. Da es in der FELSISA ein Pastorenmangel gab, kehrte ich nach Südafrika zurück und absolvierte ein zweites Vikariat in der St. John’s Lutheran Church in Kempton Park. Danach wurde ich ordiniert und im Dezember 2000 in meiner Heimatgemeinde Wittenberg als Pastor eingeführt.

Denken Sie gerne an Ihre Zeit in der FELSISA zurück?

Wir denken gern an die Liebe und Unterstützung zurück, die wir in Wittenberg erfuhren, an die schöne ländliche Umgebung, die wunderbaren Menschen, die Wittenberger Schule, die gute Zusammenarbeit mit dem Kirchenvorstand und die Nähe zur Familie. Es machte mir Spaß, Tenor zu spielen, und ich vermisste besonders die Kameradschaft des Posaunenchors während unserer ersten Jahre in Wyoming. Seitdem waren wir an Orten, an denen die Menschen nicht wussten, was es bedeutet, eine Gemeinde zu sein, lutherisch zu sein, wahre christliche Gemeinschaft zu haben und in der Kirche auf verschiedene Weise zu dienen. In solchen Situationen dachten wir oft an Wittenberg zurück und übernahmen einige Dinge von dort.

Es ist viel passiert, seit Sie mit Ihrer Familie ins Ausland gezogen sind. Wie haben Sie sich in den USA und in der LCMS eingelebt?

Wir zogen im Juli 2006 nach Wyoming, nachdem ich von der LCMS eine Berufung erhalten habe, als Missionar zu arbeiten. Wir dachten, die Neuanpassung würde relativ einfach sein, da wir schon einmal in den USA gelebt haben. Es erwies sich als schwieriger, da sich die Kultur des Mountain West sehr von der des Mittleren Westens, wo sich das Seminar befindet, und des nördlichen Minnesota, wo wir unser Vikariat absolviert haben, unterscheidet. Außerdem war der größte Teil der Bevölkerung Star Valleys, Wyoming, mormonisch. Ihr Glaube, der alle Bereiche der Kultur, der Gemeinschaft und sogar der Schulen durchdringt, war ganz anders, als wir es gewohnt waren. Die Anpassung an das Leben in dieser Gemeinschaft und das gleichzeitige Bewahren unserer lutherischen Identität, sowie der unserer kleinen Herde erwies sich als Herausforderung.

Als ich jedoch im Oktober 2011 einen Ruf an die Trinity Lutheran Church in Great Falls, Montana, einer größeren Stadtgemeinde, annahm, bemerkten wir einen deutlichen Unterschied in der Kultur, die wärmer und einladender war. Dies half uns sehr, uns in die „amerikanische Kultur“ einzufinden und durch Gottes Gnade arbeiteten wir dort 9 Jahre lang.

Während der Zeit der kulturellen Anpassung, war die Vertrautheit der Sprache und der Theologie der LCMS, einschließlich der Liturgie, eine Quelle des Trostes und der Stabilität.

Während Ihrer Zeit als Pastor in Montana haben Sie auch eine Doktorarbeit geschrieben. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

Unsere Erfahrungen mit den Mormonen veranlassten mich dazu, mehr über diese Religion zu erfahren und wie man sie am besten mit dem Evangelium von Jesus Christus erreichen kann. So meldete ich mich Ende 2010 beim CTSFW für den PhD in Missiologie an. Meine Forschung konzentrierte sich auf lutherische Versuche, Mormonen mit dem Evangelium zu erreichen. Zusammenfassend zeigten die Ergebnisse, dass Lutheraner (insbesondere Laien) sie an die Hand nehmen und geduldig den langen Weg aus dem Mormonentum mit ihren mormonischen Nachbarn oder Freunden gehen müssen, indem sie sie ermutigen und mit ihnen Katechese und Gottesdienste besuchen. Wie eine Sekte hat das Mormonentum einen starken Einfluss auf die Menschen, und es ist sehr schwierig für die Menschen, sich an ein Leben außerhalb des Mormonentums anzupassen. Der Herr hat versprochen, dass sein Wort nicht leer zu ihm zurückkehren wird (Jesaja 55, 11). Also predigen und lehren wir weiter und lassen den Heiligen Geist die Herzen der Menschen verändern.

Wie sind Sie zur Berufung als Missionar auf den Kaimaninseln gekommen?

Im Januar 2020 war ich an dem CTSFW, um meine Dissertation zu verteidigen, und wurde gefragt, ob ich bereit wäre, als Missionar auf den Kaimaninseln zu dienen. Neben der Missionierung der Menschen wurde auch ein Hilfsprofessor für das Seminar in der Dominikanischen Republik gesucht und jemand, der die Möglichkeiten zur Gründung eines Kinderzentrums auf Grand Cayman erkunden würde. Mit meinem frisch erworbenen Doktortitel in Missiologie und Heidis kürzlich erworbenem Master-Abschluss in frühkindlicher Erziehung und ihrer langjährigen Erfahrung waren sie der Meinung, dass wir perfekt für diese Stelle geeignet wären.

Unterscheidet sich der Prozess, eine Berufung ins Missionsfeld anzunehmen, von dem eines „normalen“ Pastors?

Die Prozesse sind sehr unterschiedlich, vor allem, weil LCMS-Missionare ihre eigene finanzielle Unterstützung aufbringen müssen, bevor sie in ihr jeweiliges Missionsfeld reisen. Sie müssen genügend Mittel aufbringen, um ihr Leben zwei Jahre lang zu finanzieren, indem sie Gemeinden im ganzen Land besuchen, Vorträge halten und ein Unterstützungsnetz aufbauen. Alle zwei Jahre müssen die Missionare in die USA zurückkehren und 2-3 Monate lang einen „Heimdienst“ absolvieren, um wieder mit diesem Netzwerk in Kontakt zu treten und zusätzliche Unterstützung für die nächsten zwei Jahre zu sammeln. Unser erster „Heimdienst“ wird im Juni bis August 2023 stattfinden.

Wir begannen im September 2020 mit dem Sammeln von Unterstützungsgeldern und zogen im Januar 2021 für eine Missionsorientierung in die Dominikanische Republik, wo wir auch unser Spanischstudium begannen. Obwohl die Arbeit auf den Kaimaninseln ausschließlich auf Englisch stattfindet, ist unsere Region überwiegend spanischsprachig und die Arbeit am Seminar in der Dominikanischen Republik wird nur auf Spanisch durchgeführt. Im März 2021 zogen wir schließlich nach Grand Cayman. Das war während des Höhepunkts der COVID-Lockdowns, die eine Reihe von Herausforderungen mit sich brachten. Wir dienen einer kleinen Missionsgemeinde, der Safe Harbour Lutheran Church, die sich sonntags auf unserer Veranda trifft. Derzeit arbeiten wir aktiv an der Planung und Eröffnung eines Kinderzentrums.

Wie war die Anpassung auf den Inseln?

Interessanterweise war es gar nicht so schwer, sich an die Hitze und Luftfeuchtigkeit auf den Kaimaninseln zu gewöhnen! Es war fast so, als käme man wieder nach Hause an den Indischen Ozean, wo Heidi aufwuchs. Wir vermissen die langen und kalten Winter in Wyoming und Montana nicht – obwohl wir die wunderschönen Rocky Mountains und das Wandern in ihnen vermissen, da Grand Cayman völlig flach ist. Der höchste Punkt der Insel ist die Mülldeponie, die „Mount Trashmore“ genannt wird!

Erzählen Sie uns von der Arbeit als Hilfsprofessor am Seminar in der Dominikanischen Republik.

Seit September 2022 unterrichte ich wöchentlich per Zoom Studenten am Seminario Concordia El Reformador in der Dominikanischen Republik. Der gesamte Unterricht und das Lernen finden auf Spanisch statt. Ich unterrichtete das Augsburger Bekenntnis und die Apologie und unterrichte derzeit Pastoren als theologischer Ausbilder. Im Mai 2023 hatte ich das Privileg, an der Abschlussfeier einiger meiner Studenten sowie an dem jährlichen Symposium teilzunehmen.

Wie können wir die Missionsarbeit auf den Kaimaninseln unterstützen?

Wir freuen uns über jedes Gebet für unsere Arbeit auf der Insel. Wenn Sie Südafrikaner kennen, die hier leben und arbeiten oder einen Umzug in Erwägung ziehen, erzählen Sie ihnen bitte von der Safe Harbour Lutheran Church. Wir werden ihnen gerne helfen, wo immer wir können. Sie sind herzlich eingeladen, während ihrer Zeit auf Grand Cayman in der Safe Harbour Lutheran Church eine geistliche Heimat zu finden. Sie können sich auch für unseren monatlichen Newsletter per E-Mail anmelden, um über unsere Gebetsanliegen auf dem Laufenden zu bleiben.

Viele Menschen assoziieren die lutherische Kirche mit der deutschen Sprache. Was eint, Ihrer Erfahrung nach, die Lutheraner in der ganzen Welt, trotz kultureller und sprachlicher Unterschiede?

Vor 20 Jahren hätten wir uns nie vorstellen können, dass wir einmal in der Karibik dem Herrn dienen würden. Es gibt extreme Unterschiede zwischen Südafrika, den Bergen von Wyoming und Montana und einem winzigen Stückchen Insel im Karibischen Meer, aber es ist derselbe Herr, dasselbe Evangelium und dieselben Gaben des Herrn für seine Kirche. Hier in unserer kleinen Missionsgemeinde haben wir Mitglieder aus 8 verschiedenen Ländern. Nach dem Sonntagsgottesdienst kann man manchmal hören, wie sich die Mitglieder auf Englisch, Deutsch, Afrikaans, Spanisch und sogar Zulu unterhalten – alles Sprachen, mit denen wir vertraut sind! Gott weiß ganz sicher, was er tut! Was uns eint, ist das Kreuz Christi in der Mitte unseres Bekenntnisses und Lebens, wie es die Heilige Schrift verkündet und wie wir es in den lutherischen Bekenntnissen bekennen. Auch die Gottesdienstordnung ist ein großer verbindender Faktor – egal welche Sprache man spricht, man fühlt sich im Gottesdienst immer willkommen und „Zuhause“.

Das Interview wurde von Pastor Andreas Albers geführt und von der Redaktion gekürzt. Die vollständige Fassung ist auf der FELSISA Website abrufbar.

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